In der Sitzung am 23.5.2013 im Rathaus geht es um den Beschluss zur Aufstellung des Flächennutzungsplans. Bitte kommen auch Sie zu der Sitzung. Warum ist das wichtig und was muss man dazu wissen? Zunächst werden hier einige verfahrenstechnische, raumordnerische und energiepolitische Grundlagen der aktuellen Situation in Landkreis und Stadt Göttingen erläutert.
Wenn keine Regelung getroffen wird bedeutet dies für den Bau von Windenergieanlagen folgendes:
Da die Windkraftnutzung nach Baugesetzbuch § 35 im Aussenbereich (= Nichtsiedlungsgebiet) zu den so genannten privilegierten Nutzungen zählt, können Windenergieanlagen (WEA) grundsätzlich überall beantragt werden und müssen, wenn keine raumbedeutsamen und keine öffentlichen Interessen entgegenstehen, auch genehmigt werden.
Vorranggebiet
Im Vorranggebiet muss die Vorrang-Nutzung gegenüber konkurrierenden anderen Nutzungen bevorteilt werden. Wenn also A auf einer Fläche einen Schweinestall bauen möchte und B auf derselben Fläche eine WEA, dann hat in einem Windenergie-Vorranggebiet die WEA den Vortritt. Vorranggebiete bedeuten für die Windkraft nur eine besondere Bevorzugung. Auf die übrigen Flächen hat das keinen Einfluss, es gibt also keinen Steuerungseffekt.
Eigungsgebiet
Innerhalb eines Eignungsgebiets ist die entsprechende Nutzung besonders privilegiert, da ihr qua Gesetz keine raumbedeutsamen Belange mehr entgegenstehen. I.d.R. kann deshalb direkt in das Genehmigungsverfahren eingestiegen werden. Ausserhalb des Eignungsgebietes können WEA nur über eine Ausnahmegenehmigung gebaut werden, dieses Instrument hat deshalb eine Ausschlusswirkung.
Landschaftsschutz
Eine WEA steht grundsätzlich den Zielen des Landschaftsschutzes (Landschaftsökologie, Landschaftsbild, Erholung) entgegen. Die meisten Verordnungen enthalten Ausnahmemöglichkeiten unter sichernden Bedingungen. Der Landkreis Göttingen hat nun in seinen Verordnungen für WEA textlich eine generelle Befreiung eingeführt. Das ist zwar formaljuristisch möglich, inhaltlich entspricht das aber einem Gesetz, das die Realität auf den Kopf stellt. Im Landkreis wäre also rein rechtlich gesehen der so genannte „Wildwuchs“ möglich.
Die Stadt Göttingen hat im Herbst 2012 das Verfahren für eine gleichlautende Änderung für ihre LS-VO gestartet. Bei der aktuellen Lage ist ein „Wildwuchs“ nicht möglich, nach der Änderung aber sehr wohl. Bei einer Änderung der LS-VO gibt es meist keine öffentliche Beteiligung.
RROP
Das Regionale Raumprogramm legt den Entwicklungsrahmen im Landkreis fest, innerhalb dessen die Gemeinden ihre Flächennutzungspläne ausarbeiten können. Beim Siedlungsgebiet beispielsweise können die Gemeinden nicht über die übergeordneten Festlegungen des Landkreises hinaus (wie dieser sich innerhalb der Festlegungen des Landesraumordnungsprogrammes bewegen muss). Würde der LK Eignungsgebiete festlegen, dürften die Gemeinden ihre Windflächen nur innerhalb dieser Gebiete aussuchen.
Das RROP gilt im LK für alle Gemeinden außer der Stadt Göttingen, die statt dessen eine so genannte Raumordnungsskizze aufstellen muss (fehlt bisher)
Der RROP wird mit öffentlicher Beteiligung aufgestellt, kann aber weder von Privaten noch über die Verbandsklage angegriffen werden.
Flächennutzungsplan
Der FNP bildet zusammen mit den Bebauungsplänen die so genannte Bauleitplanung einer Kommune. Der FNP legt die zulässigen Nutzungen der Flächen im Gemeindegebiet fest undist nur behördenverbindlich, die im Siedlungsgebiet daraus zu entwickelnden Bebauungspläne regeln die Art und Weise der Bebauung und sind für jedermann verbindlich.
FNP müssen regelmässig neu aufgestellt werden, insbesondere dann, wenn sich wesentliche Rahmenbedingungen verändert haben. Der FNP der Stadt Göttingen stammt von 1975. Der FNP wird zwar mit Öffentlichkeitsbeteiligung aufgestellt, ist aber i.d.R. nicht beklagbar.
Genehmigungsverfahren
Wenn eine Gemeinde keine Eignungsgebiete ausgeschieden hat, dann kann jeder Interessent überall, andernfalls nur innerhalb der Eignungsgebiete für WEA Bauanträge stellen und das Genehmigungsverfahren einleiten. Dieses ist ein Verwaltungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung (auch ohne Politik). Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) kann hier zwar mitreden, ihre Stellungnahme hat aber innerhalb der Verwaltung meist kein Gewicht. Nur nachweisbar persönlich betroffene Nachbarn können ihre Rechte auf dem Rechtsweg einklagen. Öffentliche Interessen, z.B. Naturschutz, gelten nicht als Klagegrund.
Wenn eine Kommune sich also für die Kombination aus Eignungs-/Vorranggebiete mit Genehmigungsverfahren entscheidet, dann gibt es keine rechtliche Handhabe, eine Verletzung/Missachtung der öffentlichen Interessen einzuklagen.
Situation Landkreis
Rechtlich gesehen können heute im gesamten Außenbereich WEA beantragt werden. Der RROP befindet sich in Neuaufstellung, damit muss auch der Landschaftsrahmenplan (LRP) neu bearbeitet werden. Im Vorgriff auf den RROP und den LRP will der LK die Wind-Vorranggebiete bearbeiten und spätestens im Frühling 2014 festsetzen. In der Zwischenzeit sollen die FNP der Gemeinden, soweit sie voraussichtlich nicht gegen den RROP verstoßen, auch genehmigt werden. Damit schiebt er die Planungsverantwortung an die Kommunen.
Situation Stadt
Wegen des fast flächendeckenden Landschaftsschutzgebiets (LSG) können aktuell praktisch keine WEA genehmigt werden. Der Stadt Göttingen fehlt heute ein RROP, bzw. eine Entsprechung (eben die Raumordnungsskizze). Der FNP von 1975 ist veraltet und erfüllt die gesetzlichen Anforderungen nicht mehr. Seit Frühling 2011 befindet er sich in Neuaufstellung,
die auch die Prüfung für erneuerbare Energien umfasst. Diese grundlegende Überarbeitung enthält die Erarbeitung eines kommunalen Landschaftsplans als Fachgutachten. Die Bearbeitung hinkt schon weit hinter dem ursprünglichen Fahrplan her.
Seit Sommer 2012 betreibt die Verwaltung die Aufstellung eines Teilflächennutzungsplans Windenergie, seit Herbst 2012 die Änderung der LS-VO, dafür werden die Bearbeitung des FNP und der Landschaftsplan zurück gestellt. Damit würde der bereits erteilte Auftrag einer ganzheitlichen Bearbeitung aufgeschoben und zugunsten einer Investorenplanung Windenergie ersetzt.
Am 23.05. sollen gemeinsam oder parallel der Bauausschuss und der Umweltausschuss die Empfehlung für die Aufstellung des T-FNP beschließen, damit der geheim tagende Verwaltungsausschuss am 27.05. die Aufstellung beschließen kann.
Artenschutzrechtliche Prüfung
Das NLWKN (Nds. Landesamt für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) hat auf Anfrage der UNB Göttingen den grossen Umfang der vor einer Gebietsfestlegung oder Genehmigung notwendigen Datenerhebung deutlich gemacht. Dieser Umfang entspricht deutlich mehr, als Landkreis und Stadt bisher erhoben und bearbeitet haben.
Bei einer sorgfältigen und korrekten Durchführung der artenschutzrechtlichen Prüfung nach Vorgabe der EU Vogelschutzrichtlinie kann davon ausgegangen werden, dass im Raum Südniedersachsen keine Flächen für WEA ausgewiesen werden dürfen.
Unser Ziel ist die Ablehnung der Verwaltungsvorlage des Aufstellungsbeschlusses und dafür die zügige Bearbeitung des kommunalen Landschaftsplans und des FNP.
Viele Teilnehmer machen den Ausschussmitgliedern und Politikern deutlich, wie wichtig uns das Thema ist.