WKA und Demokratie

Dr. Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe, wörtlich in der Dokumentation „Kampf gegen Windparks“ beim NDR Fernsehen im Oktober 2012: „Wenn die Gesamtgesellschaft in einer so großen Mehrheit wie das der Fall ist, diese Veränderung möchte, dann glaube ich, muss der Einzelne im Einzelfall auch Nachteile in Kauf nehmen. So ist das in einer Demokratie.“

Warum scheint dieser Satz so monströs zu sein? Was für eine Vorstellung von einer Gesellschaft hat jemand, der solche Thesen verbreitet?

Professor Theisen, Politikwissenschaft aus Köln, sagte in diesem Zusammenhang:
Sinn der Demokratie ist nicht die Mehrheitsherrschaft, die ja auch eine Form der Unterdrückung ist. Damit Mehrheiten nicht die Anderen an die Seite drängen, damit das nicht passiert, gibt es in den modernen Demokratien Gesetze, die einen für alle erträglichen Ausgleich schaffen. So steht dann auch in § 35 Baugesetzbuch, dass sogenannte privilegierte Vorhaben nur zulässig sind, wenn öffentliche Interessen nicht berührt sind. Zu diesen öffentlichen Interessen gehören:

Gesundheitsschutz der Anwohner, keine erdrückende Wirkung auf die Bebauung, also hinreichender Abstand, der Artenschutz, der Schutz der Landschaft usw. Bei der Stadt Göttingen sehen wir bislang nur wenig Bereitschaft, die Abwägung zwischen Landschaftsschutz und dem Bau von WEA als dem bedeutsamsten Grundrecht des Rates einer Kommune im Sinne der Schutzfunktion umzusetzen.

Worum handelt es sich also bei einer direkten Umsetzung des Mehrheitswillens? Kant erklärt es uns ausführlich und umfassend: Es ist reine Despotie!

Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 1795

Erster Definitivartikel zum ewigen Frieden.

Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.

Damit man die republikanische Verfassung nicht (wie gemeiniglich geschieht) mit der demokratischen verwechsele, muß folgendes bemerkt werden. Die Formen eines Staats (civitas) können entweder nach dem Unterschiede der Personen, welche die oberste Staatsgewalt inne haben, oder nach der Regierungsart des Volks durch sein Oberhaupt, er mag sein welcher er wolle, eingeteilt werden, die erste heißt eigentlich die Form der Beherrschung (forma imperii), und es sind nur drei derselben möglich, wo nämlich entweder nur einer, oder einige unter sich verbunden, oder alle zusammen, welche die bürgerliche Gesellschaft ausmachen, die Herrschergewalt besitzen (Autokratie, Aristokratie und Demokratie, Fürstengewalt, Adelsgewalt und Volksgewalt). Die zweite ist die Form der Regierung (forma regiminis), und betrifft die auf die Konstitution (den Akt des allgemeinen Willens, wodurch die Menge ein Volk wird) gegründete Art, wie der Staat von seiner Machtvollkommenheit Gebrauch macht: und ist in dieser Beziehung entweder republikanisch oder despotisch. Der Republikanism ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt (der Regierung) von der gesetzgebenden; der Despotism ist das der eigenmächtigen Vollziehung des Staats von Gesetzen, die er selbst gegeben hat, mithin der öffentliche Wille, sofern er von dem Regenten als sein Privatwille gehandhabt wird. — Unter den drei Staatsformen ist die der Demokratie, im eigentlichen Verstande des Worts, notwendig ein Despotism, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin alle, die doch nicht alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist.

Alle Regierungsform nämlich, die nicht repräsentativ ist, ist eigentlich eine Unform, weil der Gesetzgeber in einer und derselben Person zugleich Vollstrecker seines Willens (so wenig, wie das Allgemeine des Obersatzes in einem Vernunftschlusse zugleich die Subsumtion des Besondern unter jenem im Untersatze) sein kann, und, wenn gleich die zwei andern Staatsverfassungen so fern immer fehlerhaft sind, dass sie einer solcher Regierungsart Raum geben, so ist es bei ihnen doch wenigstens möglich, daß sie eine dem Geiste eines repräsentativen Systems gemäße Regierungsart annähmen, wie etwa Friedrich II. wenigstens sagte: er sei bloß der oberste Diener des Staats,* da hingegen die demokratische es unmöglich macht, weil alles da Herr sein will. — Man kann daher sagen: je kleiner das Personale der Staatsgewalt (die Zahl der Herrscher), je größer dagegen die Repräsentation derselben, desto mehr stimmt die Staatsverfassung zur Möglichkeit des Republicanism, und sie kann hoffen, durch allmähliche Reformen sich dazu endlich zu erheben. Aus diesem Grunde ist es in der Aristokratie schon schwerer, als in der Monarchie, in der Demokratie aber unmöglich, anders, als durch gewaltsame Revolution zu dieser einzigen vollkommen rechtlichen Verfassung zu gelangen. Es ist aber an der Regierungsart** dem Volk ohne alle Vergleichung mehr gelegen, als an der Staatsform (wiewohl auch auf dieser ihre mehrere oder mindere Angemessenheit zu jenem Zwecke sehr viel ankommt). Zu jener aber, wenn sie dem Rechtsbegriffe gemäß sein soll, gehört das repräsentative System, in welchem allein eine republikanische Regierungsart möglich, ohne welches sie (die Verfassung mag sein welche sie wolle) despotisch und gewalttätig ist. — Keine der alten sogenannten Republiken hat dieses gekannt, und sie mussten sich darüber auch schlechterdings in dem Despotism auflösen, der unter der Obergewalt eines Einzigen noch der erträglichste unter allen ist.