Windkraft – Pro und Contra – 19.02.2013

Ein Interview im Stadtradio Göttingen

Das Stadtradio Göttingen nimmt sich immer wieder engagiert der Diskussion um die Göttinger Windkraftvorzugsgebiete und den Verlauf der Höchstspannungstrasse an. Am 19.2.2013, ab 9:00 Uhr kamen Befürworter und Gegner zum Thema: „Windkraft – Pro und Contra“ in der Live-Sendung „1 Stunde 1 Thema“ zu Wort.

Einen Mitschnitt der Wortbeiträge können Sie sich auf der rechten Infoleiste dieser Homepage anhören. Für das Stadtradio moderierte Christoph Lohnherr die Sendung. Die redaktionelle Vorbereitung erfolgte durch Wieland Gabcke. Für die Kontra-Position stand unsere erste Vorsitzende, Dr. Anita Schmidt-Jochheim von der Bürgerinitiative Gegenwind Groß-Ellershausen/Hetjershausen e.V. Rede und Antwort, als Fürsprecher der Windenergie war der Geschäftsführer der Fa. Windkraft Diemarden GmbH & Co. KG, Jörg Klapproth, geladen.

Wir haben die Aussagen von Herrn Klapproth anlässlich dieses Interviews zum ersten Mal gehört. Viele seiner Aussagen haben uns zum Nachdenken und Nachforschen veranlasst und wir halten es für wichtig, unsere Erkenntnisse dazu offen zulegen. Wir bitten Sie, sich selbst das Interview anzuhören, unsere Erläuterungen zu lesen und sich ein eigenes Urteil zu bilden!

„Neu im Bau: Bischhausen Weißenborn: 3 E101, Gesamthöhe 186m, 7 Mio kWh/a sollen dort erzeugt werden. Das ist der Energiebedarf von ungefähr 2000 deutschen Durchschnittshaushalten. Die drei E101 decken den gesamten Verbrauch der Gemeinde Gleichen“

Jörg Klapproth, Stadtradio Göttingen am 19.2.2013

Der Verbrauch eines Durchschnittshaushalts beträgt tatsächlich rund 3500 kWh, aber im Gesamtjahr, also immer, 24 h am Tag, 365 Tage/a. Das Windrad produziert aber nur dann den Strom, wenn der Wind weht, und der weht hier im Binnenland leider nur schwach und eher selten. Die Bürger der Gemeinde Gleichen hätten also, gäbe es nur das Windrad, zu 85% des Jahres Probleme mit Ihrer Stromversorgung.

Wir haben uns die Erträge der Fa. Windkraft Diemarden GmbH & Co. KG einmal etwas genauer angesehen. Die leistungsfähigsten Anlagen stehen bislang in Bischhausen. (Bj. 2000, Höhe 99 m, nominale Leistung 1300 kW bzw. 1,3 MW).

Jahresproduktion kWhLeistung kWTheoretische Volllaststunden hWirkungsgrad %
Bischhausen 11.918.2201.3001.47617%
Bischhausen 21.752.7861.3001.34815%
Bischhausen 31.787.0001.3001.37516%
Summe1.819.335

Quelle: http://www.windkraft-diemarden.de/

Gegenüber dem Gesamtjahr mit seinen 8760 h ergibt unsere Rechnung nur rund 1.400 h rechnerische Vollaststunden im Durchschnitt, das sind nur 15% von 8760 h (Gesamtstunden/Jahr). In der Realität läuft die WEA an wesentlich mehr Stunden, erzeugt dabei aber nur einen Bruchteil der Nennleistung, nämlich 15%. Das Problem liegt darin, dass Windenergie zwar elektrische Arbeit (kWh) substituiert, nicht aber elektrische Leistung (kW). Vergleicht man Windenergieanlagen also mit vorhandenen, konventionellen Kraftwerken muss man dies unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Verfügbarkeit tun. Nehmen Sie sich die Tabellen selbst vor, bitte nur bestehende Anlagen und keine luftigen Zukunftsversprechungen sowie möglichst einen längeren Zeitraum. Für Diemarden 1 und 2 errechnet sich im 20 jährigen Durchschnitt ein Faktor von nur 12%.

Es ist also prätentiös, die Jahresproduktion eines Windrads mit dem Durchschnittsverbrauch eines Haushalts zu vergleichen. Wir sollen glauben, man könnte damit die Gemeinden versorgen: noch ein paar mehr und wir haben es geschafft!

Wo aber kommen die fehlenden 85% her?

Schattenkraftwerke

Grundsätzlich gilt bei Strom: Verbrauch und Erzeugung müssen zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht sein. Also müssen die stark fluktuierenden Leistungsangebote des Windstroms bei Flaute und Sturm ausgeglichen werden. Dazu müssen spiegelbildlich zur WEA “Schattenkraftwerke“ in Reserve gehalten werden, die überwiegend auf Kohlebasis betrieben werden. Auf Grund der laufenden Reservehaltung und schlechter Effizienz im Teillastbereich wird dabei überproportional viel Kohle pro kWh verbraucht. Das ist wie beim PKW im Stadtverkehr, wo durch ständiges Beschleunigen und Bremsen mehr Benzin verbraucht wird. Sie produzieren dabei auch mehr CO2.

Vielleicht finden wir hier eine Erklärung für den erstaunlichen Anstieg an CO2 Emissionen in 2012. FAZ vom 19.02.2013: „Deutschlands Klimagasemissionen sind 2012 erstmals seit vielen Jahren wieder gestiegen. Darauf deuten die vorläufigen Zahlen hin,…“ Und dies in einem Jahr, in dem Deutschland teilweise die Vollversorgung mit Ökostrom erlebt hat!

Dabei tut sich gleich die nächste Frage auf: Was passiert eigentlich, wenn wir mehr produzieren als wir verbrauchen? Bei den Windrädern führt dies zu dem Paradoxon, dass sie abgeschaltet werden müssen. Wenn wir nun immer mehr (und wir planen gerade Abertausende) bauen, erreicht man diesen Zustand immer öfter. Der Zubau reduziert also den oben berechneten, ohnehin schon geringen Wirkungsgradfaktor der WEA.

Den PV Strom kann man nicht abschalten, da es sonst zu Schäden kommt, so dass auch der Zubau solcher Anlagen die Abschaltzeiten der WEA erhöht. Es ist unter diesen Annahmen durchaus fraglich, ob die heute versprochenen 20% aus meteorologisch verfügbarem Wind der geplanten neuen WEA überhaupt zu Stande kommen. Ein anderer Weg, den nicht benötigten Strom loszuwerden, ist, ihn in die Nachbarländer fließen zu lassen. Ab Grenze ist der subventionierte deutsche Strom dann kostenlos. Die dortigen Kraftwerksbetreiber müssen ihre Kraftwerke rauf und runterfahren und belasten ihre Netze dabei bis an die Grenze. Dadurch steigen die Kosten ihrer Produktion und es wächst die Gefahr eines Zusammenbruch ihres Netzes. Sie wehren sich natürlich dagegen. Polen hat als erstes Land von Deutschland gefordert millionenschwere Investitionen zu tätigen, um zukünftig zu unterbinden, dass ihr Netz als Pufferspeicher für Ökostrom dient. Tschechien hat sich dem inzwischen angeschlossen.

„Die Förderung ist vor allen Dingen nötig, weil wir in Deutschland und Europa, auch ohne dass Anlagen die nach dem EEG gefördert werden oder unterstützt werden, absolut keine marktwirtschaftliche Preisbildung haben. Eine Studie des Forums für nachhaltige Marktwirtschaft aus dem letzten Jahr zeigt, dass man auch ohne dass Anlagen nach dem EEG gefördert werden oder unterstützt werden, auskommen würde, wenn man die Vergünstigungen, Subventionen und Steuervorteile bei den anderen Kraftwerken streichen würde.“

Jörg Klapproth, Stadtradio Göttingen am 19.2.2013

Wir haben lange gebraucht, die Passage zu entschlüsseln. Versuchen Sie es mit uns gemeinsam:
1) Die Förderung ist nötig, weil wir in Europa absolut keine marktwirtschaftliche Preisbildung haben. Das ist offensichtlich falsch. Strom wird an der Börse frei gehandelt: www.eex.com/de/

2) Die Einschränkung, dass dem so sei, auch ohne dass Anlagen nach dem EEG gefördert werden, hat uns nicht die nötige Erklärung gebracht

3) Als Beweis der These wird eine Studie angeführt, die Wissenschaftlichkeit suggeriert

4) Die Studie beweist also, dass Strom aus konventionellen Kraftwerken so hohe Vergünstigungen, Subventionen und Steuervorteile erhält, dass der Preis dadurch so drastisch und quasi künstlich gedrückt wird, dass er uns an der Börse (aktueller Strompreis am Markt ca. 4,5 Ct/kWh) nur fälschlicherweise so billig erscheint. Er müsste also 200-300% teurer werden, wenn man die Erkenntnisse der Studie berücksichtigt. Andersherum wird uns mitgeteilt, dass man, wenn man die Vergünstigungen, Subventionen und Steuervorteile bei konventionell produziertem Strom streicht, er mehr kostet als der Ökostrom.

Wir haben mal nachgehakt und uns die Studie vom „Forum für ökologisch-soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS)“ besorgt. Der Titel lautet: „Was Strom wirklich kostet. Vergleich der staatlichen Förderungen und gesamtgesellschaftlichen Kosten von konventionellen und erneuerbaren Energien“

Dabei stellten wir fest, dass die Studie im Auftrag von Greenpeace Energy e.G. gemeinsam mit dem Bundesverband Windenergie (BWE) verfasst wurde. Greenpeace Energy baut selber WEA und hat zu diesem Zweck die Fa. Planet energy GmbH als Tochterfirma gegründet. Acht Windparks wurden bereits errichtet. http://www.foes.de/pdf/2012-08-Was_Strom_wirklich_kostet_kurz.pdf

Die Studie wurde unserer Meinung nach vom gewünschten Ergebnis her verfasst, d.h. es werden in die Rechnung sehr viele Summen eingerechnet, die mit der deutschen Stromerzeugung nicht in einen sinnvollen und für uns nachvollziehbaren Zusammenhang zu bringen sind. Dazu gehören die Kosten für Tschernobyl ebenso wie die Steinkohlesubvention, auch als Kohlepfennig bekannt.

Damit wollte man, wie immer bei Subventionen, Gutes tun und Arbeitsplätze im Bergbau erhalten. Dabei wird aber die Kohle subventioniert und nicht der Strom. Man setzt also einfach Steinkohlesubvention = Stromsubvention und hat wieder ein Argument für den angeblich zu billigen konventionellen Strom an der Börse. Dabei ist fraglich, ob diese Subvention überhaupt etwas nützt. Kohle ist offensichtlich weltweit noch billiger als subventionierte deutsche Kohle und die Produzenten kaufen dann natürlich die ausländische Kohle. All dies wird uns aber nicht mehr lange nachhängen, die Subvention wird 2018 beendet.

Auch die Bundesregierung legt den Strompreis der Börse in Leipzig zu Grunde, wenn sie die Differenz dieses Preises zum Einspeisesatz von 9,1 Cent/kWh als Subvention an die Betreiber von Windkraftanlagen berechnet.

„Wir leben Gott sei Dank in einem Rechtsstaat und da gibt es einen Vertrauensschutz gegen rückwirkende Veränderungen“

Jörg Klapproth, Stadtradio Göttingen am 19.2.2013

Natürlich leben wir in einem Rechtsstaat. Es gibt auch Vertrauensschutz. Aber daraus abzuleiten, dass die Subvention auch in Zukunft in gleichem Ausmaß fließt, ist irrig. Auch die Betreiber künftiger Windkraftanlagen müssen mit einer Kürzung rechnen. Hinsichtlich der Rückwirkung wird unterschieden zwischen „echter und unechter“ Rückwirkung.

Verfassungsrechtlich unzulässig ist nur die echte Rückwirkung. Dies ist eine Rückwirkung die sich auf einen in der Vergangenheit bereits vollständig abgeschlossenen Sachverhalt bezieht. Erlaubt ist grundsätzlich die unechte Rückwirkung, bei der ist die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen, sondern andauert. Für die Zukunft kann danach ein begünstigender Verwaltungsakt, den die Subvention darstellt, überprüft und zumindest teilweise eventuell sogar ganz zurückgenommen werden. Man berücksichtigt hier sicher auch die Interessen der Betreiber, dies führt aber regelmäßig nicht zu einem Ausschluss der Rücknahme, sondern dazu, dass reduziert wird. Die Betreiber von WEA können auf keinen Fall damit rechnen, dass sie auf Dauer die einmal zugesagte Förderung vollumfänglich erhalten.