Umweltausschusssitzung vom 4.6.2013

Der Vorsitzende Herr Dr. Scherer (CDU/FDP-Gruppe) leitet die Sitzung.

Herr Ohlow stellt in einer Präsentation die Flächennutzungsplanung, die Genehmigungsplanung, den Geltungsbereich, Planungsziele und die Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Der Flächennutzungsplan sei Teil der kommunalen Planung. Stattgefunden bis zum heutigen Tage habe die Abstimmung der Planungsziele, die Erstellung von Gutachten, die Anhörung der Ortsräte und die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit. Man befinde sich nunmehr direkt vor dem Aufstellungsbeschluss.

Danach folgen würden das Scoping-Verfahren der Umweltbelange, bei dem eine Beteiligung der TÖB (Träger öffentlicher Belange) erfolge, die Erfassung von Abwägungsmaterial (Abwägung der Stellungnahmen, ggf. ergänzende Gutachten), die Erstellung des Planentwurfs, die öffentliche Auslegung (Beteiligung der Öffentlichkeit, der TÖB und der Verbände), das Abwägen der Stellungnahmen, der Satzungsbeschluss und schließlich die Genehmigung des Teilflächennutzungsplans.

Der Genehmigungsplan befasse sich mit konkreten Einzelstandorten, Abständen, der Baugegend, dem Anlagentyp, dem Betrieb etc. nach BImSchG.
Geltungsbereich sei die Stadt Göttingen. Planungsziel sei es, der Windenergie substanziell Raum zu geben, mit einer Ausschlusswirkung für das übrige Stadtgebiet. Dies münde in einem schlüssigen Plankonzept, d. h. Festlegung harter und weicher Tabuzonen.

Die Beteiligung der Öffentlichkeit sei durch Information über Verfahren, Potenzialflächen sowie Natur- und Artenschutz erfolgt. Zum Verfahren zugehörig seien Windpotenziale, Zweistufigkeit, verwaltungsrechtlicher Ablauf (z. B. Anhörung der Ortsräte), LSG-VO und Rechtsmittel.

Bei den Potenzialflächen seien Raum für Erweiterung (Wohnbebauung), Anzahl der Flächen, Abstandsregelung, Wind im Wald sowie Betreiber und Anzahl der WEA berücksichtigt worden. Beim Natur- und Artenschutz habe man sich mit Lärm und Infraschall sowie Naherholung befasst.
In der Sitzung des Bauausschusses am 23.05.2013 sei eine Beschlussempfehlung für die Aufstellung des Teilflächennutzungsplans erfolgt. Es schließe sich dann das Einleiten des Verfahrens an.

Herr Dr. Joger (beratendes Mitglied) erkundigt sich, inwieweit die „roten“ Flächen auf der Stadtgebietskarte bereits feststünden.
Herr Ohlow versichert, dass es sich hier um keine Vorfestlegung handele. Erst im Laufe des Verfahrens kristallisierten sich die in Frage kommenden Gebiete heraus.

Herr Dr. Scherer verweist auf Herrn Uhligs Aussage in der Sitzung des Umweltausschusses am 30.04.2013, dass die Karte der Potenzialflächen für „null und nichtig“ erklärt werde. Er verdeutlicht den Widerspruch, der sich aus Frau Janßens (LK Argus Kassel GmbH) Aussage ergeben habe, diese Gebiete seien von ihr auf Veranlassung der Verwaltung nicht als Ruhegebiete ausgewiesen worden. Er stellt die Frage, warum diese Gebiete nicht als Ruhegebiete ausgewiesen worden seien, obwohl die Potenzialflächen angeblich noch nicht feststünden. Aufgrund dieser Aussagen bezweifele er die immer wieder betonte Ergebnisoffenheit des Verfahrens.

Herr Busse (BI Pro Esebeck) erkundigt sich über die Einspruchsmöglichkeiten für die Bürger.
Herr Ohlow erklärt, dass im § 3 BauGB zwei Phasen der Bürgerbeteiligung vorgesehen seien, zum einen durch die frühzeitige Bürgerbeteiligung, bei der im Herbst auch die Ortsräte gehört worden seien, zum anderen durch die Auslegung der Pläne. Die erste Phase sei bereits abgeschlossen. Es habe eine vierwöchige Einspruchsfrist bestanden. Trotzdem seien Stellungnahmen und Bürgereinsprüche auch jetzt noch möglich und würden berücksichtigt.
In einem halben bis einem Jahr seien Einsprüche während der öffentlichen Auslegung der Pläne für einen Zeitraum von vier Wochen wieder möglich. Diese zweite Phase müsse eine Woche vor Beginn öffentlich angekündigt werden.
Bürgereinsprüche beim Scoping seien dagegen nicht möglich.

Herr Busse fragt nach einer Abstimmung mit den Nachbargemeinden, da im Gebiet Barterode/Esebeck durch die Nachbarlage Niedersachsens größter Winenergie-Park drohe.
Herr Ohlow versichert, dass eine solche Abstimmung natürlich erfolge und erwähnt die sehr enge Zusammenarbeit mit dem Landkreis Göttingen.

Ein Zuhörer zeigt sich irritiert durch die Begriffe „harte und weiche Tabukriterien“. Tabu sei doch tabu, egal, ob hart oder weich.
Herr Ohlow erklärt, dass weiche Tabukriterien der Abwägung zugänglich, harte Tabukriterien jedoch Gesetz gegeben seien. Es handele sich hier um feststehende Definitionen.

Herr Kolbe (Deppoldshausen) bezweifelt, dass das Scoping noch terminlich korrekt durchführbar sei.
Herr Ohlow erwidert, dass ein Scoping durchaus kurzfristig durchzuführen sei.

Herr Kolbe weist darauf hin, dass das juristisch nicht möglich sei.
Herr Ohlow betont, dass keine Eile bestünde, zumal in der Stadt Göttingen Landbesitzer noch keine Vorverträge mit Investoren abgeschlossen hätten. Wichtig sei eine rechtssichere Planung, die nach seiner Schätzung ein halbes Jahr dauere. Herr Dr. Scherer wirft ein, dass „wir dann jetzt nicht hier säßen, wenn keine Beeilung nötig sei“.

Herr Weischede (Deppoldshausen) fragt, wer den Zeitdruck mache, wenn keine Investoren vorhanden seien. Aus seiner Sicht sei es sinnvoller den „großen“ Flächennutzungsplan vorzuziehen. Gründliche Untersuchungen beispielsweise bzgl. gefährdeter Tierarten würden ein Jahr und länger dauern. Damit sei die Einhaltung des Zeitplans bis Dezember nicht mehr möglich.
Herr Ohlow erwidert, er kenne keinen Zeitplan bis Dezember.

Herr Stiller (Barterode) stellt die Situation im Landkreis dar. Investoren seien aufgetaucht, die Vorgespräche mit den Landbesitzern geführt hätten. Zuerst seien das die Stadtwerke Göttingen gewesen und es sei auch zu Einigungen gekommen. Dann sei Vattenfall aufgetreten, und die Landbesitzer seien dann wieder ausgeschert.

Frau Walbrun (Naturschutzbeauftragte) findet die Beiträge der Zuhörerschaft sehr gut, denn daraus seien Änderungen der ursprünglichen Vorgehensweise entstanden. Zunächst habe man lediglich die verschiedenen Karten mit den Ausschlusskriterien übereinander gelegt. Mehr als diese Vorgaben für die Vorranggebiete wollte man nicht machen. Das Scoping stehe im Gegensatz zur letzten Bauausschuss-Sitzung heute im Zeitplan plötzlich an der richtigen Stelle. All diese Bewegung halte sie für gut. Es sei wichtig, jetzt vernünftige Untersuchungen durchzuführen, ansonsten sei die Planung hinterher nicht gerichtsfest.

Herr Ohlow weist darauf hin, dass ein Scoping mit öffentlichen Trägern tatsächlich frühzeitig stattgefunden habe. Jetzt folge auch noch ein Scoping der Umweltbelange.

Herr Böttcher (Esebeck) fordert, wie bereits in seinem Schreiben erwähnt, eine Begründung der Stadt Göttingen, falls von § 35 Abs. 1-3 abgewichen werde.

Herr Scheibler (Stadt und Planung Göttingen e. V.) kritisiert ausführlich Punkt für Punkt den konkreten Aufstellungsbeschluss. Die Vorlage habe sich seit der ersten Auslage immer wieder geändert. In der aktuellen Vorlage sei von einer „partiellen Darstellung von Vorrangflächen“ die Rede. Er wünsche sich eigentlich eine vollständige Darstellung. Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung sei nicht gegeben gewesen. Klimaschutz könne keine Begründung sein, sondern ein Konzept. Auch Investoren (auswärtige oder Gruppen aus Göttingen) seien kein Grund für einen Handlungsbedarf, zumal lt. Aussage von Herrn Ohlow zur Zeit keine vorhanden seien. Aufgrund der Landschaftsschutzgebietsverordnung werde mit drohendem Wildwuchs von WEA gedroht. Nach derzeitiger Rechtslage sei dieser Wildwuchs heute jedoch gerade nicht möglich. Durch eine Änderung könne es aber durchaus dazu kommen. Klima- und Landschaftsschutz in Einklang bringen zu wollen, sei der Versuch einer Quadratur des Kreises. Ein Flächennutzungsplan könne eine Steuerung von Windenergiestandorten nicht wahrnehmen. Ein Termindruck sei wegen fehlender Investoren nicht vorhanden. Weiterhin sei ein Teilflächennutzungsplan nicht wesentlich früher aufgestellt als ein Gesamtflächennutzungsplan. Für die Aufstellung des Gesamtflächennutzungsplans sei man im Jahr 2011 von einer Dauer von 2 bis 4 Jahren ausgegangen, Abschluss im ungünstigsten Fall folglich Ende des Jahres 2015. Für den Teilflächennutzungsplan gehe man, vom heutigen Tag berechnet, lt. Zeitachse von 1,5 Jahren aus, Abschluss also ebenfalls Ende des Jahres 2015.

Abschließend stellt er seine Forderungen. Gemeinden müssten zunächst prüfen, ob geeignete Flächen für WEA vorhanden sind. Erst dann könnten sie zur Verfügung gestellt werden. Es könne nicht sein, dass vorab eine bestimmte Prozentzahl an Fläche einer Gemeinde für WEA eingefordert werde. Alle Maßnahmen sollten auf Energie und nicht auf Geld abheben. Zu den Flächenkriterien sei zu sagen, dass die „Nullabstände“ im Stadtgebiet nicht akzeptabel seien. Eine reine Investorenplanung sei zu den Zielen Energiewende und Stadtentwicklung kontraproduktiv.

Herr Ohlow bittet Herrn Scheibler um die Zusendung seiner Ausführungen, damit Stellung genommen werden könne.

Frau Busse (BI Pro Esebeck) weist auf Vorgespräche des Konzerns Vattenfall mit Landbesitzern hin und kritisiert, dass keine frühzeitige Bürgerbeteiligung stattgefunden habe.

Herr Kolbe fragt, warum bei Durchführung des Scopings nur der Rotmilan betrachtet worden sei.
Herr Ohlow weist darauf hin, dass auch andere Vogelarten betrachtet worden seien.

Herr Kolbe fragt, warum diese dann aber in der Planung nicht berücksichtigt worden seien (Beispiel Wanderfalke). Er bemängelt, dass die Kritik der Bürger nicht beachtet werde. Er verweist wiederholt auf die 10 Flächen im Stadtgebiet, die zur Auswahl feststünden.
Herr Ohlow erwidert, es sei nicht in Ordnung solche Aussagen zu treffen, da Herr Kolbe genau wisse, dass das nicht stimme.

Herr Ohlow erklärt, dass der Bauleitplan nicht der Verbandsklage zugänglich sei und somit eine Verbandsklage nicht mehr gegeben sei. Infrage käme dann nur eine Normenkontrollklage. Naturschutzverbände könnten nur im Rahmen des BImSchG klagen.

Weiterhin weist er auf die grenzübergreifende Vorgehensweise hin. Ein Austausch mit dem Landkreis werde angestrebt, außerhalb der Stadtgrenzen habe man aber keinerlei Entscheidungsbefugnis.

Herr Stecher (BI Gegenwind Groß Ellershausen/Hetjershausen e.V.) bemerkt, dass er im Laufe der Sitzung sehr oft die Worte „ergebnisoffen“ und „keine Investoren“ gehört habe. In der letzten Bauausschuss-Sitzung sei von Flächenausgleichszahlungen der Investoren in Höhe von mehreren Tausend Euro die Rede gewesen. Er fragt, wer diese Zahlungen angeboten habe, wenn es doch keine Investoren gebe. Außerdem stelle sich ihm in diesem Zusammenhang die Frage, für wen eine mögliche Anlagenhöhe von beispielsweise 100 m nicht profitabel sei, wenn keine Investoren bereit stünden.

Herr Ohloff lenkt ein, dass es sehr wohl Interessenten gebe, aber bisher noch keinen offiziellen Antrag. Er betont noch einmal, dass die Planung gesteuert werden müsse, damit kein Investor wild bauen könne. Diese Aussage wird von Herrn Scheibler vehement bestritten.

Die Frage von Herrn Busse, wie viele WEA im Stadtgebiet gebaut werden sollen, wird nicht beantwortet.

Die Ausschussmitglieder haben nun Gelegenheit ihre Statements abzugeben.

Herr Dr. Scherer hält die gesamte Planung für nicht rechtssicher. Er kritisiert den Abstand von lediglich 500 m zu Wohngebäuden sowie die Doppelplanung des Flächennutzungsplans.
Aus diesen Gründen werde er dem Beschluss nicht zustimmen.

Herr Klatt (SPD) wird dem Beschluss zustimmen. Man müsse sich fragen, ob man die Energiewende haben wolle oder nicht. Immer wieder werde auf die Höhe (200 m) der Anlagen hingewiesen. Man müsse sich im Klaren sein, dass Windenergie die günstigste erneuerbare Energieform sei, wenn man den Energieertrag im Verhältnis zum Platzbedarf betrachte, aber auch sonst.

Die stellvertretende Vorsitzende Frau Reuter (Bündnis 90/Die Grünen) wird dem Beschluss zustimmen, damit Gutachten auf den Weg gebracht werden können.

Abschließend kommt es zur Abstimmung über die Aufstellung eines Teilflächennutzungsplans „Windenergie“. Für die Aufstellung stimmen vier Ausschussmitglieder bei zwei Gegenstimmen.

Göttingen, 06.06.2013